„Staatswirtschaft oder freies Unternehmertum “
 

VERLAG EUROBUS GMBH

„Staatswirtschaft oder freies Unternehmertum “

Mittwoch, 10.11.2010

(lop) Die anstehende Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes (PbefG), der „deutsche Flickenteppich“ Umweltzonen und die Busförderung durch das Land Baden-Württemberg standen im Mittelpunkt der 64. Jahreshauptversammlung des Landesverbandes der baden-württembergischen Busunternehmer (WBO) in Stuttgart. Dabei wurde der WBO-Vorsitzende Klaus Sedelmeier in seiner Forderung um „mehr Unternehmerverantwortung im ÖPNV“ unisono von den Vertretern der beiden großen Bundesverbände, bdo-Präsident Wolfgang Steinbrück und Ingo Wortmann, Vizepräsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), im Beisein politischer Mandatsträger deutlich unterstützt. PbefG: Worum geht es ? „Im Kern handelt es sich um eine politische Machtfrage“, brachte der WBO-Vorsitzende die Diskussion auf den Punkt: „ Wer bekommt mehr Einfluss auf den künftigen ÖPNV – der Staat oder der freie Unternehmer“? Dabei gehe es um eine „alles entscheidende politische Weichenstellung, die für die Ausgestaltung des ÖPNV in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich sein wird“. Kernpunkt der Debatte: Bisher stärkt das in Deutschland geltende PbefG die mittelständischen Busunternehmer im Bereich Planung, Organisation und Durchführung des ÖPNV. Doch die Gegner dieses Gesamtkonzepts wie beispielsweise kommunale Verbände, Vertreter ausländischer Großkonzerne, die Gewerkschaft ver.di sowie die Parteien SPD und Grüne wollen Planung und Organisation im ÖPNV ganz in die Hände der Aufgabenträger - der Kreise und Städte - legen. Busunternehmer würden zu „Lohnkutschern“ degradiert oder – wie in Schweden, Dänemark und England – ganz aus dem Markt geworfen. Ironie: Gerade die dem Planungssystem entflohenen osteuropäischen Staaten wie Polen, Tschechien. Slowakien, Ungarn und das Baltikum setzen dagegen auf mittelständische Eigenverantwortung. In Deutschland steht eine Entscheidung an, wie die damit befasste EU-Verordnung 1370 mit dem bisherigen PbefG, für deren Erhaltung sich die Busunternehmen einsetzen, in Einklang gebracht werden kann. „Jetzt wollen wir die Aufgabenträger mit ins Boot holen, um zu einem gemeinsamen Konsens zu kommen und die Unsicherheit für die Unternehmer beenden“, betonte Busunternehmer Sedelmeier, der 450 im WBO zusammengeschlossene private und kommunale Verkehrsunternehmen vertritt. Sein Ziel: „Wir private Busunternehmen wollen mit am Tisch sitzen, wenn die Nahverkehrspläne erstellt werden – denn da geht es nicht um ein Wunschkonzert, sondern um finanziell Darstellbares.“ DDR-„Vernichtungsprogramm“ „Wir haben als Busunternehmen das Mittelstandsvernichtungsprogramm der DDR überlebt und wollen deshalb eine Staatsverwaltungswirtschaft nie wieder haben“, sprach Wolfgang Steinbrück, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Omnibusunternehmen (bdo) im Namen seiner ostdeutschen Busunternehmer-Kollegen. Nicht nur deren größte Bedenken: „Wenn alles auf die ÖPNV-Aufgabenträger konzentriert wird und die Beförderungsleistungen europaweit ausgeschrieben werden sollen, dann kommen nur noch die großen Konzerne zum Zuge – in Hessen kann man derzeit die Folgen studieren.“ Nach Auffassung des bdo erfordere die Umsetzung der EU-Verordnung keineswegs eine Gesetzesänderung: „Das ist schlichtweg gelogen“, so Steinbrück. „Geldmaschine für Berater“ Auch Ingo Wortmann, Vizepräsident des sonst eher auf Gegenkurs zu den privaten Busunternehmen befindlichem Verband der Verkehrsunternehmen, in dem die kommunalen ÖPNV-Betreiber organisiert sind, forderte dazu auf, „die gelungene Mischung des PbefG mit all seinen Besonderheiten nicht zu vernichten.“ Die geplante Novellierung bezeichnete er als unnötige „Geldmaschine für Anwälte und Berater.“ Mit Blick auf die Umweltzonen brach Wortmann eine Lanze für das Verkehrsmittel Bus, das „im Durchschnitt nicht mehr Feinstaub produziert als ein durchschnittlich besetzter Pkw.“ Zitat: „Alte DDR-Dialektik: Wo Wettbewerb drauf steht, ist Staatswirtschaft drin“. bdo-Präsident Wolfgang Steinbrück zur anstehenden Novellierung des PbefG. Umweltzonen: „Wie vor Napoleon“ Auch zum Thema Umweltzonen vertrat der bdo-Präsident unter dem Applaus der Zuhörer eine klare Position: „Das ist eine Kleinstaaterei in Deutschland wie vor Napoleon.“ Wenn man als Busreiseveranstalter 40 verschiedene Genehmigungen benötige, um Deutschland zu durchfahren, sei dies ein „untragbarer Zustand“. Steinbrück forderte deshalb von den anwesenden Politikern eine generelle Ausnahmegenehmigung für den Reisebus. Nicht zuletzt deshalb, da die ab dem kommenden Jahr vielerorts und ab 2012 völlig ausgesperrten Busse mit Euro 3 Motoren und gelber Plakette längst noch nicht abgeschrieben und nur „mit großem Verlust wieder zu verkaufen“ seien. Heftig kritisierte Steinbrück auch die EU-Bürokratie im „grenzüberschreitenden“ Verkehr: Inzwischen seien drei grüne Fahrtenblätter notwendig, sonst drohen massive Bußgelder wie in Frankreich - „und das trotz völliger Liberalisierung in einem vereinigten Europa“. Busförderung: 10 Mio € 2011 Das dritte Thema, das den Busunternehmern unter den Nägeln brennt, ist die finanzielle Bezuschussung neu angeschaffter Busse. Hier geht es um viel Geld und letztlich auch um die Attraktivität des ÖPNV für die zahlenden Gäste. Baden-Württemberg ist eines der letzten Bundesländer, die eine GVFG-Busförderung noch im nennenswertem Umfang gewährt. So wurden nach einem deutlichen Rückgang in den „Hungerjahren 2007 und 2008“ im Jahr darauf mit Niveauangleichung an frühere Jahre wieder 493 Fahrzeuge gefördert und 2010 bislang 174 mit „Luft nach oben“. Doch die Verträge zum entsprechenden Paragraphen 45 a laufen im nächsten Jahr aus. Bedingt durch Kürzung der Regionalisierungsmittel wurde die Förderung auf 10 Mio € zurück gefahren. 2009 wurden zusätzliche 15 Mio bereit gestellt. Doch die sollen nun „refinanziert“ werden – in 3 Jahresraten. „Das würde bedeuten, dass bis 2014 nur noch jährlich insgesamt 5 Mio Euro zur Verfügung stünden und wir auf das Niveau von 2007 fallen“, gab der WBO-Vorsitzende Klaus Sedelmeier zu bedenken und plädierte gegenüber von Ministerpräsident Stefan Mappus um weiter gesteckte Zeiträume. Andernfalls bekäme man einen umunkehrbaren Domino-Effekt im Busgewerbe – auch mit weniger Buskäufen. Damit Baden-Württemberg mobil bleibe – das Motto der Tagung – müsse der Bus weiter gefördert werden. Ministerpräsident Stefan Mappus betonte die Bedeutung des privaten Omnibusgewerbes zur Sicherung der Mobilität im öffentlichen Personennahverkehr. Er sprach sich daher auch für einen weiteren Ausbau der Verkehrswege aus. Insbesondere die vom Bund für die Bundesstraßen und Autobahnen zur Verfügung gestellten Mittel reichten bei weitem nicht aus, die notwendigen Projekte umzusetzen. Beim Ausbau der Bundesstraßen sei daher nun dringend ein „Aufbau Südwest“ erforderlich. Der Ministerpräsident sicherte zu, dass Baden-Württemberg als nahezu einziges Bundesland auch 2011 „mit mindestens 10 Mio Euro die Busförderung weiter führen“ werde.

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